Benannte Stellen müssen Medizinproduktehersteller jetzt unabhängig von den geplanten Überwachungsaudits auch durch zusätzliche unangekündigte Audits überwachen. Außerdem sollen bei Bedarf auch qualitätsrelevante Lieferanten und OEM-Zulieferer unangekündigt auditiert werden. Das regelt die Empfehlung 2013/473/EU der EU-Kommission zu "Audits und Bewertungen, die von benannten Stellen im Bereich der Medizinprodukte durchgeführt werden" (Amtsblatt der Europäischen Union, L 253 vom 25.09.2013). Mit der Empfehlung wird das Ziel verfolgt, die Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems der Hersteller bzw. die Konformität ihrer Produkte konsequenter zu überwachen.
Unangekündigte Audits sollen mindestens einmal in drei Jahren stattfinden, gegebenenfalls - etwa bei Produkten mit erhöhtem Risiko oder bei gravierenderen Abweichungen - auch öfter. Grundsätzlich sollte ein unangekündigtes Audit nicht weniger als einen Tag dauern und von mindestens zwei Auditoren durchgeführt werden. Die Mitgliedsstaaten sollen überprüfen, wie die benannten Stellen diese Empfehlung umsetzen und dies insbesondere bei der Entscheidung über die Verängerung ihrer Benennung berücksichtigen.
Rechtliche Einordnung
Die Möglichkeit der Durchführung unangekündigter Audits ist keineswegs neu, sondern sie bestand nach den jeweiligen Richtlinien (90/385/EWG, 93/42/EWG und 98/79/EG) schon immer. Die benannten Stellen haben allerdings bis niemals praktiziert (wohl aus Gründen des Wettbewerb). Dies wird sich nun ändern. Denn zwar ist die Kommissions-
"Empfehlung" nicht rechtsverbindlich, wird aber erheblichen Druck auf die Mit-
gliedsstaaten ausüben - dies umso mehr, als dass sie ohnehin nur entsprechenden Bestimmungen nach der geplanten neuen EU-Medizinprodukteverordnung vorgreift.
Folgen für Hersteller
Herstellern ist dringend anzuraten, sich möglichst schnell auf unangekündigten Besuch "ihrer" Auditoren einzustellen. Sie sollten daher Regelungen festlegen, die sicherstellen, das in ihrem Unternehmen benannte Mitarbeiter jederzeit kompetent über QM-Abläufe Auskunft geben können. Außerdem sollten diese alle relevanten Aufzeichnungen und insbesondere die technischen Dokumentationen zu ihren Produkten auf Anhieb vorlegen können. Es ist zu empfehlen, die internen Audits zu intensivieren, damit bei unan-
gekündigten Audits der benannten Stelle keine Abweichungen festgestellt werden, die dann möglicherweise zu einer höheren Häufigkeit von unangekündigten Audits führen können.
Tipp: Prüfen Sie gelegentlich - ähnlich wie bei Brandschutzübungen - durch "simulierte Überraschungsaudits", wie gut Ihre Mitarbeiter auf unangekündigte Audits vorbereitet sind.
Hersteller mit OEM- und anderen qualitätsrelevanten Zulieferern
Auch hier gilt: Vermeiden Sie durch sorgfältige und intensive Qualitätsüberwachung ihrer qualitätsrelavanten Lieferanten (z. B. häufigere Lieferantenaudits), dass die benannten Stellen diese ebenfalls unangekündigt auditiert. Denn gerade im Fall von im Ausland ansässigen Lieferanten kann dies hohe Kosten verursachen. Stellen Sie außerdem in Ihren Qualitätssicherungsvereinbarungen sicher, dass Ihre Lieferanten unangekündigte Audits Ihrer benannten Stelle akzeptieren, um Ihre Zertifizierung nicht zu gefährden.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang der EK-Med-Beschluss 3.9 B17 "Guidance for Notified Bodies auditing suppliers to medical device manufacturers" (03/2010), in dem dargelegt wird, in welchen Fällen benannte Stellen des Herstellers auch dessen nachgelagerte Lieferanten auditieren müssen.
Downloads
Die Empfehlung (2013/473/EU) können Sie hier downloaden.
Den EK-Med-Beschluss 3.9 B17 können Sie hier downloaden.
Tipp: Beachten Sie hierzu auch mein Seminar "Private Labelling von Medizinprodukten"